Wenn einem das Gehirn Streiche spielt – 

Ein Kurzartikel über besondere und sonderbare, seltene neuropsychologische Syndrome 

Nach einem Schlaganfall oder einer Hirnverletzung kann es neben häufigen Folgen wie beispielsweise einer Halbseitenlähmung, einem Gesichtsfeldausfall oder kognitiven Störungen auch zu eher bizarren und merkwürdigen Defiziten kommen.

Im Roman „Echo der Erinnerung“ von Richard Powers wird ein Mann beschrieben, der nach einem Autounfall davon überzeugt ist, dass seine Schwester durch eine identisch aussehende Doppelgängerin ausgetauscht wurde. Ein solches Verhalten wurde erstmals 1923 von dem französischen Psychiater Jean-Marie Joseph Capgras beschrieben und wird daher auch als „Capgras-Sydrom“ bezeichnet. Außer nach einer Hirnschädigung, kann diese Störung auch im Rahmen einer Psychose, einem Delir oder einer Demenz auftreten.

Eine dem Capgras-Syndrom ähnliche Störung ist das sogenannte „Fregoli-Syndrom“ (benannt nach dem Verwandlungskünstler Leopoldo Fregoli). Auch dieses Syndrom kann nach Hirnverletzung, bei neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise der Parkinsonerkrankung oder auch im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung auftreten. Dabei glauben die betroffenen Patienten, dass sich Menschen aus ihrem Umfeld optisch verändert haben und sich als eine andere Person ausgeben. Betroffene, die sich zur Behandlung in einem Krankenhaus aufhalten sind beispielsweise davon überzeugt, dass die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt eigentlich ein Familienmitglied ist.

Das „Alien-Hand-Syndrom“ ist eine weitere, seltene neurologische Erkrankung, bei der sich eine von beiden Händen der willkürlichen Steuerung entzieht und autonome und unkontrollierbare Bewegungen ausführt. Das bizarr anmutende Störungsbild kommt bei Menschen vor, bei denen die Nervenfasern, die die rechte und linke Hirnhälfte verbinden, durchtrennt wurden. Hierdurch wird das Zusammenspiel der beiden Hirnhälften gestört, so als ob zwei verschiedene „Willen“ in einer Person vorhanden wären. Als Entdecker dieser Erkrankung gilt der deutsche Neurologe Kurt Goldstein, der das Syndrom Anfang des 20. Jahrhunderts als erster beschrieben hat. Patienten mit einem „Alien-Hand-Syndrom“ zeigen oft merkwürdige Verhaltensweisen. Es kann beispielsweise passieren, dass beim An- oder Auskleiden eine Hand die Hose an- oder ausziehen möchte, während die andere Hand genau das Gegenteil macht. Darüber hinaus haben die Patienten oft das Gefühl, dass die betroffene Hand gar nicht zu ihrem Körper gehört.

Das „Anton-Syndrom“ ist eine Störung im Rahmen einer kortikalen Blindheit (z.B. nach beidseitigen Läsionen der Sehrinde), bei der die Betroffenen den Verlust des Sehens nicht wahrnehmen und die Störung verleugnen. Diese fehlende Krankheitseinsicht wird als visuelle Anosognosie bezeichnet. Die Betroffenen handeln so, als ob sie sehen könnten, indem sie sich beispielsweise Ereignisse und Erinnerungen ausdenken oder mit nicht vorhandenen Personen sprechen, da sie der Meinung sind, dass sich diese mit ihnen in einem Raum befinden.

Das „Fremdsprachen-Akzent-Syndrom“ ist eine weitere, seltene neurologische Störung, bei der sich die Aussprache einer Person plötzlich so verändert, dass sie wie ein fremdsprachiger Akzent klingt (z.B. amerikanisch oder französisch). Diese Veränderung der Sprachmelodie und des Sprachmusters entsteht meist nach Hirnverletzungen wie einem Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma und tritt vermutlich als Folge einer veränderten Koordination der Sprechmuskulatur auf. 

Natürlich sind diese Syndrome äußerst selten und kommen weitaus weniger häufig vor, als andere neuropsychologische Erkrankungen wie bspw. Funktionsbeeinträchtigungen nach Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Traumata. Sollen Sie dennoch das Gefühl haben, eine neuro(-psychologische) Diagnostik zu benötigen, stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Ihren Termin können Sie einfach über Doctolib (https://www.doctolib.de/neurologie/muenchen/sabine-uez) oder per Telefon unter 089 95006766 buchen!